08.08.2024

Einheitliches Patentgericht (UPC) und Einheitspatentsystem: eine erste Bestandsaufnahme

Das Einheitliche Patentgericht (UPC) und das Einheitspatentsystem markieren einen bedeutenden Fortschritt im europäischen Patentrecht, der in einem Webinar von Michalski · Hüttermann & Partner ausführlich besprochen wurde. Das Webinar, moderiert von Dr. Rolf Claessen, bot tiefgehende Einblicke in die Funktionsweise, die Erwartungen und die bisherigen Erfahrungen mit dem UPC. Prof. Dr. Aloys Hüttermann, ein renommierter Patentanwalt und Chemiker, führte durch das Webinar und teilte seine umfangreichen Kenntnisse und Erfahrungen, die er seit 2012 zu diesem Thema gesammelt hat.

Einführung und Vorstellung des Sprechers

Prof. Dr. Aloys Hüttermann begann mit einer kurzen Vorstellung seiner Person und seiner Expertise im Bereich des UPC. Als Mitgründer der Kanzlei Michalski · Hüttermann & Partner hat er sich frühzeitig mit dem Einheitspatentsystem auseinandergesetzt und dazu mehrere Bücher veröffentlicht. Sein tiefes Verständnis und seine praktische Erfahrung machen ihn zu einem führenden Experten auf diesem Gebiet.

Das Einheitspatentsystem und seine Entwicklung

Das Einheitspatentsystem zielt darauf ab, Patente in Europa effizienter und kostengünstiger zu durchzusetzen. Ursprünglich von 17 Staaten unterzeichnet, wird Rumänien im September 2024 als 18. Mitgliedsstaat beitreten. Prof. Hüttermann erläuterte die rechtliche Konstruktion des Systems, das auf EU-Verordnungen und internationalen Staatsverträgen basiert. Diese komplexe Struktur war notwendig, um das System in Gang zu setzen, nachdem frühere Ansätze gescheitert waren.

Erwartungen und Realität des Einheitspatents

Das Einheitspatentsystem wurde mit gedämpften Erwartungen eingeführt, da viele potenzielle Nutzer Bedenken hinsichtlich der Kosten und der rechtlichen Unsicherheit hatten. Dennoch hat sich das System als erfolgreich erwiesen. Seit seiner Einführung wurden etwa 11.500 Einheitspatente registriert, was einer Validierungsquote von 25 % entspricht. Dies übertraf die Erwartungen des Europäischen Patentamts (EPA) deutlich.

Ein Thema war der Beitritt Rumäniens zum Einheitspatentsystem. Ab September 2024 werden alle Einheitspatente automatisch auch in Rumänien gültig sein, ohne dass zusätzliche Gebühren anfallen. Diese Erweiterung des Systems ist ein wichtiger Schritt zur Stärkung des Patentschutzes in Europa. Prof. Hüttermann erläuterte auch, warum Irland trotz anfänglicher Erwartungen bisher nicht beigetreten ist, hauptsächlich aufgrund politischer Unsicherheiten und eines fehlgeschlagenen Referendums.

Das UPC und seine Funktionsweise

Das UPC wurde geschaffen, um eine zentrale und effiziente Gerichtsbarkeit für Patentstreitigkeiten zu bieten. Es besteht aus einer Zentralkammer und lokalen sowie regionalen Kammern in verschiedenen Mitgliedsstaaten. Prof. Hüttermann betonte, dass die meisten Fälle vor den deutschen Kammern eingereicht werden, wobei München derzeit die meisten Fälle verzeichnet. Dies könnte auf die Reputation und die Qualität der dortigen Richter zurückzuführen sein.

Fallzahlen und Verfahrensdauer

Seit seiner Eröffnung hat das UPC eine moderate Anzahl von Fällen bearbeitet. Bis Ende Juli 2024 wurden etwa 170 Verletzungsfälle eingereicht. Diese Zahl mag im Vergleich zu nationalen Gerichten gering erscheinen, doch das UPC erwartet einen Anstieg der Fallzahlen in den kommenden Jahren. Die Verfahrensdauern sind strikt und zügig, und das Gericht zeigt wenig Toleranz für Fristverlängerungen, außer in Ausnahmefällen wie technischen Problemen mit dem CMS.

Technische Richter und ihre Bedeutung

Ein wesentlicher Aspekt des UPC ist die Einbindung technischer Richter in die Entscheidungsprozesse. Diese Praxis stellt sicher, dass Urteile eine hohe technische Kompetenz widerspiegeln. Trotz anfänglicher Bedenken hinsichtlich möglicher Interessenkonflikte hat sich das System bewährt, und technische Richter sind bei materiell-rechtlichen Entscheidungen mittlerweile Standard.

Entscheidungen und Begründungen

Die Entscheidungen des UPC zeichnen sich durch ausführliche Begründungen aus, insbesondere bei komplexen Sachverhalten. Dies unterscheidet sich von der französischen Tradition, die eher kurze und knappe Begründungen bevorzugt. Prof. Hüttermann lobte die Qualität der Begründungen und betonte, dass das Gericht dadurch Vertrauen und Akzeptanz gewinnt.

Trennung von Verletzungs- und Nichtigkeitsklagen

Ein weiterer wichtiger Punkt im Webinar war die Frage, wie das UPC mit der Trennung von Verletzungs- und Nichtigkeitsklagen umgeht. Die Erwartung, dass die Kammern diese Verfahren zusammen behandeln würden, hat sich bestätigt. Nur wenn parallel eine Nichtigkeitsklage vor der Zentralkammer eingereicht wurde, erfolgt bisher eine Trennung.

Erfolgsquote bei einstweiligen Verfügungen

Prof. Hüttermann sprach auch über die Erfolgsquote bei einstweiligen Verfügungen. Diese ist mit weniger als einem Drittel eher niedrig, was zeigt, dass das UPC trotz seiner strengen Verfahrensregeln nicht automatisch zugunsten der Kläger entscheidet. Dies steht im Gegensatz zu den Erwartungen, dass das Gericht besonders klägerfreundlich sein würde.

Rechtsbeständigkeit von Patenten

Ein weiteres Thema war die Rechtsbeständigkeit von Patenten. Bisher hat das UPC eine ähnliche Linie wie das EPA verfolgt, was die Entscheidung über die Gültigkeit von Patenten betrifft. Dies trägt zur Stabilität und Vorhersehbarkeit der Urteile bei.

Kosten und Kostenerstattung

Die Diskussion über die Kosten und die Kostenerstattung beim UPC ist noch nicht abgeschlossen. Aufgrund der bisher geringen Anzahl von Fällen gibt es noch keine klaren Prognosen darüber, wie hoch die Erstattung ausfallen wird. Dies bleibt ein Bereich, der weiterhin beobachtet werden muss.

Fazit und Ausblick

Das Einheitspatentsystem und das UPC stellen einen wichtigen Schritt zur Vereinheitlichung und Verbesserung des Patentschutzes in Europa dar. Trotz anfänglicher Bedenken und Herausforderungen zeigt die Praxis, dass das System gut angenommen wird und bereits seine Stärken beweist. Die umfassenden Begründungen der Urteile und die Einbindung technischer Richter tragen zur hohen Qualität und Akzeptanz der Entscheidungen bei. Mit der weiteren Integration von Ländern wie Rumänien und potenziell Irland wird das System in den kommenden Jahren weiter gestärkt und ausgebaut.

Das Webinar bot eine tiefgehende Analyse und wertvolle Einblicke in das UPC und das Einheitspatentsystem, und es bleibt spannend zu beobachten, wie sich diese Institutionen in Zukunft entwickeln werden.

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